Olympia, Herren-Bronzematch: GER – IND 4:5 (3:3)
Honamas können sich nicht mit einer Medaille belohnen
05. August 2021
Die deutschen Herren haben das Spiel um Bronze bei den Olympischen Spielen in Tokio gegen Indien mit 4:5 verloren. Das DHB-Team hatte extrem gut angefangen, lag völlig verdient 3:1 in Führung, aber machte dann zu viele individuelle Fehler, die kurz vor und nach der Halbzeitpause zu zum Teil unnötigen indischen Toren führten. Plötzlich lag man 3:5 zurück, aber hatte genug Chancen und insgesamt 13 Ecken, um die Partie noch zu drehen. Doch es reichte nur zum 4:5 durch Lukas Windfeder, so dass am Ende Indien über die erste Medaille seit Moskau 1980 jubeln konnte. Die DHB-Herren holen seit Sydney 2000 erstmals wieder keine Medaille.
Das ist brutal! Die Jungs haben eine Top-Einstellung gezeigt, aber davon können wir uns nichts kaufen. Das wird jetzt eine Zeit brauchen, um das zu verdauen!
Sportdirektor Dr. Christoph Menke-Salz
Exzellenter Start mit verdienter Führung
Die Deutschen legten los wie die Feuerwehr, hatten zwei, drei starke Kreisszenen, ehe Herzbruch von links aufs Torschoss. Fuchs leitete durch die Beine Richtung Tor weiter und Timur Oruz stocherte die Kugel aus dem Gewühl mit einer Hand über die Linie (2.). Staib musste bald darauf auf die Strafbank. Und in Überzahl holte Indien die erste Ecke, die Martin Häner ganz stark ablief. Staib, der von der Bank zurückkam, bekam einen Stecher von Niklas Wellen gegen den Körper. Das hätte schon das 2:0 sein können (6.).
Rühr bekam auf den Weg in den Kreis ein Stockfoul ab und fiel, aber Adam Kearns verweigerte ihm den Eckenpfiff (9.). Grambusch dann mit toller Ballannahme nach langem Schlenzer, sein Anschluss aus der Drehung ging aber nur rechts ans Außenbrett. Die Deutschen dominierten klar, hatten die aggressivere Körpersprache. Zwei weitere gute Flankenbälle sorgte für große Gefahr vorm indischen Tor, doch da war in der letzten Aktion jeweils noch ein Fuß eines deutschen Stürmers dran.
Es gab nach Videobeweis eine Ecke und zwei Wiederholungsecken mit dem Pausenpfiff: Häner traf den Schuss bei der dritten nicht voll. Es gab eine vierte nach Diskussionen, doch auch die misslang in der Ausführung als 90-Grad-Variante, wurde von Kearns wegen einer angeblichen Behinderung durch Windfeder rausgepfiffen.
3:1 vorn gelegen und dann die Führung hergegeben
Das DHB-Team aber mit weiter vielen guten Offensivaktionen. Doch dann fiel aber erstmal das 1:1 aus dem Nichts. Ein guter Ball wurde zentral in den Kreis auf Simranjeet Singh gespielt und der drehte sich blitzschnell von Johannes Große weg und traf per Rückhand zum Ausgleich. Fuchs testete Indiens Keeper Sreejesh Parattu mit einem Rückhandschuss. Fast hätte Rühr im Konter Wellen erwischt, der frei durch war, aber ein Inder warf sich noch im letzten Moment in die Flanke (22.). Ein Stockfoul an Bosserhoff hätte dann zumindest eine Karte für Indien geben müssen, aber Kearns ließ Gnade walten (23.).
Rühr zog von rechts nach links am Kreisrand an drei Indern vorbei. Sein Schuss aus der Drehung ging links am Pfosten vorbei (24.). Doch im nächsten Angriff bereitete Rühr sensationell für Niklas Wellen vor, der argentinisch Parattu zum 2:1 überwinden konnte (24.).
Und das DHB-Team legte nach: Timur Oruz eroberte sich einen Ball am indischen Kreis, zog Richtung rechter Pfosten und fand Benedikt Fürk im Rückraum, der auf 3:1 erhöhte. Tobias Hauke lieferte einen Freischlag am indischen Kreis dann direkt ins erste Brett der Inder ab und die holten sich im direkten Konter die nächste Ecke (27.), die Hardik Singh im Nachschuss zum 2:3 nutzte. 90 Sekunden vor dem Halbzeitpfiff dann eine Eckenentscheidung von Taylor wegen Stockfouls vorm Kreis. Harmanpreet Singh verwandelte die Ecke sehr hart halbhoch zum 3:3.
Der Schock über das 3:3 muss tiefer gesessen haben, denn anders ist es nicht zu erklären, dass wir diese beiden weiteren schnellen Gegentore nach der Pause kassieren.
Bundestrainer Kais al Saadi
Fragliche Siebenmeterentscheidung bringt Indien in Führung
Sehr ärgerlich, dass die Deutschen die so verdiente Führung kurz vor der Pause durch individuelle Fehler wieder abgegeben hatten. Indien aber auch sehr effektiv mit seinen Standards. Es ging aber leider genauso unglücklich weiter. Kearns gab eine Minute nach Wiederanpfiff einen Siebenmeter gegen Windfeder, der hinter dem indischen Stürmer nur das Brett gelegt hatte. Der Inder ließ sich aber sofort fallen. Und der tschechische Unparteiische am Video folgte der Entscheidung des Australiers. Rupinder Pal Singh machte so per Siebenmeter das 4:3, obwohl Stadler im richtigen Eck war.
Und im nächsten Konter sogar das 3:5, als man einen Stürmer rechts völlig frei ins den Kreis laufen ließ, der im Rückraum Simranjeet Singh fand, der zum 3:5 vollendete. Die Deutschen in dieser Phase nicht voll fokussiert, mit vielen leichten Ballverlusten und Ungenauigkeiten. Taylor leider auch mit einigen strittigen Entscheidungen, gab Oruz einen klaren Freischlag nach Stockfoul nicht, sondern entschied gegen den Kölner (39.). Und Kearns gab im Konter gleich die nächste indische Ecke, die die Deutschen stark abliefen, aber erneut gaben die Schiedsrichter unberechtigt eine Ecke, denn Wellen hatte den Ball nur mit dem Schläger berührt. Mats Grambusch sah in der Szene dann auch noch Gelb wegen durchaus berechtigten Reklamierens.
Rühr wurde dann angeschossen, die Ecke als gefährlich rausgepfiffen. Doch nun nahm Indien den Videobeweis und verlor diesen damit ebenfalls. Wellen holte im Konter die Ecke (43.) in Unterzahl, die zu zwei Wiederholungsecken führte. Die Herausgebervariante konnte von Wellen selbst aber nur ans Außenbrett gelenkt werden. Ein starkes Solo von Grambusch führte nur zu einer Langen Ecke, weil sich ein Inder noch in den Schlag warf und die Kugel über das Tor blockte (44.).
Viel investiert, aber es reichte nur noch zum Anschlusstreffer
Fuchs zog dann die nächste Ecke (48.), die Windfeder hart und flach zum 4:5 nutzen konnte. Taylor blieb seiner harten Linie treu: Nach zwei Stockfouls gegen Deutschland an der Seitenlinie eroberten die Inder die Kugel und Hauke konnte seinen Gegenspieler nur mit Foul im Konter stoppen. Der Kapitän musste mit Gelb fünf Minuten auf die Strafbank (49.), was für die Aktion berechtigt war, aber bei einem Pfiff für das DHB-Team davor ja gar nicht nötig gewesen wäre.
Im Konter wurde Herzbruch am Kreis gefoult, aber es gab dafür nur Freischlag statt Ecke. Im Gegenkonter konnte Stadler Mandeep in höchster Not stoppen (51.) und hielt sein Team damit im Spiel. Die Deutschen machten es gut in Unterzahl, mussten aber auch vorsichtig sein. Dann ein Pass von Windfeder auf Rühr, der im Kreis gefoult wurde. Es gab die nächste Ecke (54.), bei der Rühr beim Abschluss am linken Pfosten gefoult wurde. Taylor erneut nur mit einer Langen Ecken-Entscheidung statt Siebenmeter, wie es diesen zu Beginn der Halbzeit für Indien gegeben hatte. Aber die Deutschen hatten eben auch den Videobeweis nicht mehr.
Stadler wurde von al Saadi 4.30 Minuten vor Ende für einen elften Feldspieler vom Platz genommen. Die Deutschen holten die nächste Ecke (58.). Doch auch hier gab es den Pfiff raus, als es vor Tor gefährlich wurde. Danach weiter zwei, drei Aktionen im Kreis, wo die Deutschen vehement Ecke forderten, aber keine bekamen. Dann aber sieben Sekunden vor Ende doch erneut Ecke fürs DHB-Team,a ls ein Ball gefährlich hoch abgefälscht wurde. Doch Windfeder scheiterte auch mit dieser, so dass das 4:5 am Ende Bestand hatte.
Stimmen zum Spiel
Bundestrainer Kais al Saadi: „Erstmal fand ich es toll, was hier in den letzten zwei Tagen passiert ist. Das Halbfinale war schon schwer zu verdauen, aber die Jungs haben eine großartige Reaktion gezeigt, die richtigen Worte gefunden und waren heiß auf diese Partie um Bronze. Das hat man in der Anfangsphase auch gesehen! Das erste Gegentor kam dann schon etwas auch dem Nichts, und ich habe gedacht, warum fällt das so einfach. Wenn man dann mit zwei Toren führt, kommt die Phase, wo ein Top-Team wie Indien sich wehren will und muss. Da haben wir dann leider Einladungskarten für die Treffer vor der Pause verschickt, die Indien gern angenommen hat. Der Schock über das 3:3 muss tiefer gesessen haben, denn anders ist es nicht zu erklären, dass wir diese beiden weiteren schnellen Gegentore nach der Pause kassieren. Dann wechselte die Initiative erneut. Die Jungs haben ganz viel Herz reingegeben, um nochmal zurückzukommen und bis zur letzten Sekunde an ihre Chance geglaubt. Aber wir haben aus den vielen Möglichkeiten einfach nicht genug Kapital schlagen können. Das müssen wir akzeptieren. Und ich habe meinem Kollegen Graham Reid nach dem Match auch sofort gratuliert, weil wir natürlich auch wissen, was diese Medaille für das indische Hockey bedeutet.“
Sportdirektor Dr. Christoph Menke-Salz: „Nach dem 3:1 hätte auch ich es nicht mehr für möglich gehalten, dass wir hier heute noch einem Zwei-Tore-Vorsprung hinterherlaufen müssten. Aber das ist das Niveau unter den weltbesten Teams. Die brauchen nicht viel Platz und Fehler, um etwas daraus zu machen. Wir haben da zehn Minuten lang den Faden komplett verloren. Respekt für die Jungs, wie sie dann wieder aufgestanden sind und so viele Chancen und Ecken noch kreiert haben. Aber wir haben einfach zu viele Gelegenheiten gebraucht, um dann noch etwas Greifbares daraus zu machen. Das ist jetzt brutal. Die Jungs haben eine Top-Einstellung gezeigt, aber davon können wir uns nichts kaufen. Es ist ein bitterer Moment fürs Team, für den Staff und auch das Umfeld. Und es wird eine ganze Weile brauchen, um das zu verdauen.“